Atem und gesundheit

Der wechselseitige Einfluss von Atem und Gesundheit

 

Rhythmus und Tiefe der Atmung beeinflussen die physische und psychische Gesundheit. Und umgekehrt haben auch Gefühle und körperliche Vorgänge Einfluss auf die Atmung.

 

Unsere Stimmung, Stress, aber auch unsere Körperhaltung, die heutzutage von einem Mangel an Bewegung und moderner Technologienutzung bestimmt wird, wirken sich auf die Atmung aus, so dass die meisten Menschen nur noch so viel Sauerstoff aufnehmen, wie für ihr Überleben notwendig ist. Dauerhafte flache Atmung hat nicht nur eine schlechte Sauerstoffversorgung der Organe zur Folge, sondern führt auch zu einer schlechten Körperhaltung und muskulären Verspannungen. Die Atemmuskulatur verkümmert, wie jeder andere Muskel auch, der nicht gebraucht wird.

Verspannt zu sein in geradezu jeder Situation ist Teil unserer dysfunktionalen modernen Körperhaltung. Daraus resultiert eine flache, vertikale Brustatmung, die beschleunigt werden muss, um unseren Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgen zu können. Der Vorschlag „den Atem zu beruhigen“ oder "einige tiefe Atemzüge nehmen" reicht an dieser Stelle nicht aus, um eine nachhaltige Verbesserung zu bewirken.

 

Primäre und sekundäre Atemmuskulatur

 

Im Gegensatz zu unseren anderen Muskeln gibt es keinen Muskelkater in der Atemmuskulatur. Daher können wir auch nicht spüren, wo sich die Atemmuskulatur genau befindet.

 

Menschen, die flach atmen, verwenden ausschließlich die sekundäre Atemmuskulatur, und zwar die Nacken-, Schulter- und obere Rückenmuskulatur. Wenn Menschen jeglichen Alters gebeten werden, einmal tief einzuatmen, wird deutlich sichtbar, wie sich ausschließlich die Schultern nach oben bewegen. Das trifft oft auch auf Menschen zu, die Sport treiben und sich „fit“ halten. Laut einer amerikanischen Studie hören westliche Menschen mit fünfeinhalb Jahren auf, tief zu atmen, d.h. ihre für die Atmung eigentlich zuständige primäre Atemmuskulatur (s. weiter unten) zu gebrauchen.

 

Für das Atemtraining hilft es zu verstehen, warum jeder Einzelne als Kind aufgehört hat, automatisch tief zu atmen: sich unsichtbar machen müssen, um niemanden zu verärgern. Scham vielleicht, weil zu dick, zu dünn, zu klein mit Ablehnung des Körpers oder auch unserer ganzen Person. Jeder kennt Sprüche wie, "halt mal die Luft an", "spiel dich nicht so auf", "Bauch rein – Brust raus". Auch das Unterdrücken sogenannter negativer Emotionen sowie Krankheiten und Unfälle gehören hierhin.

 

Die gute Nachricht: die Atemmuskulatur ist trainierbar wie jede andere Muskulatur im Körper. Um eine tiefe Atmung zu erreichen, muss die primäre Atemmuskulatur verwendet werden. Sie besteht im Wesentlichen aus der Beckenbodenmuskulatur, dem Lenden-Darmbein-Muskel und der Zwerchfellmuskulatur. Diese Muskulatur bildet quasi einen Rahmen um das uro-genitale System, den unteren Rücken und die Verdauungsorgane. Darüber hinaus unterstützt das Zwerchfell durch Ausdehnung und Zusammenziehen von unten Herz und Lungen.

 

Entgiftung

 

Leber und Nieren sind die Entgiftungsorgane des Körpers, das Zwerchfell fungiert sozusagen als „Entgiftungsmuskel“. In der Mitte des Körpers gelegen, verbessert es beim Ausdehnen und Zusammenziehen Blutkreislauf, Verdauung und die Bewegung der Lymphe. Inkontinenz wird vorgebeugt oder kann gemildert werden.

 

Funktionsfähigkeit der Organe

 

Unsere Organe befinden sich ständig in Bewegung, selbst im Tiefschlaf. Hierfür sorgt unsere Atmung. Das Herz hat seine eigene Bewegung. Alle anderen Organe bewegen sich mit dem Zwerchfell. Bewegen sich die Organe wenig oder gar nicht, hat das eine verlangsamte oder schlechtere Durchblutung zur Folge, der gesamte Stoffwechsel (einschließlich Immunfunktion und Hormonproduktion) verlangsamt sich. Ein Training der Atemmuskulatur steigert also nicht nur die sportliche Leistung, sondern verbessert auch die Funktionsfähigkeit unserer Organe.

 

Ausdauer, Kraft und Regeneration

 

Richtige Atmung vertreibt Müdigkeit, führt zu einer und schnelleren Regeneration nach Anstrengung und verbessert die Ausdauer.

 

Wenn man z.B. erschöpft ist durch anstrengende sportliche Betätigung, dann schnappt man nach Luft und kann nicht mehr weiter. In dem Moment spielen weder die individuelle sportliche Begabung, noch der starke Wille weiterzumachen, noch der Trainingsfleiß eine Rolle. Durch das Training der Atemmuskulatur ist es möglich, diesen Zeitpunkt der Erschöpfung weit hinauszuschieben weil man Zugang zu körperlichen Energiereserven hat, die man nicht für möglich hielt. Durch Ausdauertraining kann man diesen energetischen Zuwachs nicht erreichen! Selbst bei Herz-Kreislaufsport wird die Atemmuskulatur nicht trainiert. Es empfiehlt sich ein separates Training der Atemmuskulatur.

 

Durch das Training der Atemmuskulatur können Kraft, Ausdauer und Konzentration verbessert sowie Erholung nach Anstrengung und Heilung von Verletzungen beschleunigt werden.

 

Verspannte Muskulatur ist ein Energiefresser! Entspannte Muskulatur bzw. die Nutzung ausschließlich der Muskulatur, die man wirklich zum Ausführen einer Bewegung braucht, ermöglicht schnelle Bewegungen und eine erhöhte Energie.

 

Gleichgewicht und Körperhaltung

 

Das Zwerchfell, der Königsmuskel für die Atmung, ist mit der unteren Wirbelsäule verbunden und hat somit direkten Einfluss auf diesen Bereich. Somit unterstützt er auch unser Gleichgewichtszentrum in der Mitte des Körpers, unsere Fähigkeit, Milchsäure in der Muskulatur abzubauen und Stress zu kontrollieren, da er auch eine direkte Verbindung zu unserem Nervensystem hat. Tiefenatmung verbessert den Körperschwerpunkt und die Tiefensensibilität.

 

Stresskontrolle

 

Der Atem verbindet Geist und Körper. Er kann ausgleichend, beruhigend oder aktivierend sein. Die Atmung ist der Schlüssel zur Stresskontrolle, da er das Nervensystem beeinflusst.

 

Beobachtungen eines Kampfsportlehrers über viele Jahrzehnte hinweg: Kinder nutzen die Zwerchfellatmung in passiven Phasen, zwischen schnell aufeinanderfolgenden intensiven und fordernden Übungen im Training. Erwachsene hingegen nutzen die Brustatmung und in der Folge verspannt sich die Muskulatur in den Ruhephasen. Sie haben Probleme, ihren Atemrhythmus schnell zu beruhigen und ausreichend Luft aufzunehmen, um sich auf die Energie fordernde nächste aktive Phase vorzubereiten.